1. Du fühlst dich überfordert.
Je nach Klinik, in der du anfängst, kommt nach kürzerer oder längerer Einarbeitungszeit der Moment, in dem du eigenverantwortlich arbeiten musst. In Zeiten des zunehmenden Personalmangels geschieht dies immer früher. Dabei kann schnell das Gefühl der Überforderung auftreten.
Was kannst du tun?
Zuerst kannst du mit Kollegen sprechen, ob sie ähnlich empfinden (oder empfunden haben) und ob es sich um ein strukturelles Problem handelt. Alternativ wäre es möglich, dass es dein ganz persönliches Problem ist. Gute Ansprechpartner sind hier die Pflegekräfte, die gut vergleichen können, ob andere Ärzte die Situationen ähnlich oder besser meistern.
Liegt das Problem in der Abteilung, ist es sinnvoll, das Thema bei deinen Oberärzten oder dem Chefarzt anzusprechen. Am besten holst du dir dazu Kollegen mit gleichen Erfahrungen ins Boot oder wendest dich – sofern vorhanden – an einen Assistentensprecher. Du kannst auch gezielt jemanden ansprechen, bei dem du den Eindruck hast, am ehesten auf Verständnis und Kooperation zu stoßen.
Die besten Karten, eine Veränderung zu erreichen, hast du, wenn du konstruktive Vorschläge machst. Zudem gehört natürlich immer dazu, dass du selbst deinen Beitrag leistest, dich weiter zu entwickeln. Nur meckern, ohne Eigenengagement zu zeigen, führt in den wenigsten Fällen zu Verständnis und Verbesserung.
Gerade als Berufsanfänger kannst du grundsätzlich viel von Pflegekräften lernen und dich von ihnen unterstützen lassen. Dabei kommt es vor allem auf dein Auftreten an. Positionierst du dich gleich am ersten Tag als Arzt, der hier die Hosen anhat, wirst du dir nachher schwertun, Unterstützung zu erhalten. Bist du ein Teamplayer, kannst du in den meisten Fällen von der Erfahrung der Pflege profitieren.
Stellst du fest, dass du der Einzige bist, der unter Überforderung leidet, solltest du selbst Maßnahmen ergreifen.
Vielleicht ist es ein altes Thema von Sicherheitsbedürfnis und Angst, das Eigeninitiative erfordert. Hier ist Ehrlichkeit vor anderen und vor dir selbst gefragt. Sprich offen über dein Problem, erwarte aber nicht unendlichen Welpenschutz. Du kannst Kollegen fragen, wie sie es schaffen, mit der Situation umzugehen und von ihnen lernen. Durch Eigenstudium kannst du deine Kompetenz erweitern und dir dadurch mehr Sicherheit aneignen. Gerade bei alten Themen sind manchmal auch psychologische Hilfe oder ein Coaching sinnvoll.
2. Du hast viel zu viel Arbeit
Dieses Thema geht Hand in Hand mit Punkt 1.
Auch hier ist die Unterscheidung zwischen einem strukturellen und einem persönlichen Problem wichtig.
Vielleicht benötigst du selbst eine bessere Organisation oder verschwendest Zeit mit unwichtigen Dingen. Hinterfrage, ob und wo du Zeit verbrätst und wie du es selbst ändern kannst. Bitte um Hilfe, achte jedoch darauf, dass du nicht dein persönliches Problem auf andere schiebst.
Häufig liegt es jedoch wieder am Personalmangel. Zu viel Arbeit für zu wenige Mitarbeiter. Und gerade in der Klinik lassen sich viele Dinge nicht einfach aufschieben.
Sprich mit Kollegen, wie es ihnen geht. Handelt es sich um ein gängiges Thema und es liegt nicht an einer aktuellen Problematik (Ausfall von Mitarbeitern, ungewöhnlich hoher Arbeitsanfall), solltest du das Thema bei deinen Vorgesetzten ansprechen. Taucht wenig Verständnis auf, suche dir Unterstützung bei Kollegen, beim Assistentensprecher und zur Not beim Betriebsrat. Ist die Belastung so hoch, dass es gesundheitliche Folgen mit sich bringen kann, ist der Betriebsarzt ein möglicher Ansprechpartner. Auch der Marburger Bund bietet Hilfe an. Dort kannst du dich als Mitglied jederzeit kostenlos informieren, was für Möglichkeiten es gibt.
Häufig ist es schwierig, hier den richtigen Weg zu gehen. Einerseits gibt es nur positive Veränderungen, wenn Arbeitnehmer den Mut haben, aufzubegehren. Wie häufig hörst du auch heute noch den Satz: „Wir hatten damals noch ganz andere Arbeitszeiten.“ Ja, das ist möglich, aber kein Grund, ein System nicht zu verbessern. Früher hatte der Arzt auch ein anderes Prestige und die gesellschaftlichen Herausforderungen waren anders.
Andererseits gibt es oft wenige Alternativen, die deine Abteilung anbieten kann. Personalkosten in den Kliniken sind hoch, die Gewinne oft mau. Alles ist durchgetaktet und wird unter rein ökonomischen Gesichtspunkten geführt. Daran kann auch dein Chefarzt nur wenig ändern.
Sollten die Ursache der Arbeitsbelastung fehlende Bewerbungen auf offene Stellen sein, kannst du den Vorschlag machen, dass die Abteilung gemeinsam überlegt, wie sie attraktiver werden kann.
Leider bleibt manchmal als einzige Lösung, den Arbeitsplatz zu hinterfragen.
3. Du hast das Gefühl, du lernst zu wenig.
In diesem Bereich gibt es große Unterschiede. Während manche Abteilungen Einarbeitungskonzepte vor- und einhalten, regelmäßige Fortbildungen anbieten und über lehrwillige Kollegen verfügen, ist in anderen Bereichen das Motto „learning by doing“ vorherrschend. Zudem gibt es häufig ein Nadelöhr, wenn zu viele Weiterbildungsassistenten einen Weiterbildungsabschnitt benötigen. Typisches Beispiel ist die Intensivmedizin bei der Weiterbildung zum Facharzt für Anästhesie.
Was kannst du tun?
Für deine Weiterbildung musst du ein Logbuch führen. Hier hast du einen Überblick, was du tatsächlich tun und lernen musst, sprich, was dir auch angeboten werden sollte. Es ist sinnvoll, dein Logbuch im Blick zu behalten und bei deinen Vorgesetzten darauf hinzuweisen, wenn du hinterher hängst. Hier ist häufig Eigeninitiative gefragt, da je nach Abteilungsgröße nicht immer offensichtlich ist, wer gerade welchen Bedarf hat.
Auch bei anderen Ausbildungsdefiziten solltest du aktiv „Lehre“ einfordern. Suche dir die erfahrenen Kollegen aus, die sich gerne mit dem Thema, das gerade ansteht, beschäftigen. Die meisten haben einen Lieblingsbereich, den sie auch gerne weitervermitteln.
Du kannst auch selbst Fortbildungen organisieren oder sogar selbst halten. Bei Themen, die dir schwerfallen, hilft es, dich zu überwinden und dich intensiv damit zu befassen. So kann sogar aus gehassten Jobs eine Leidenschaft werden.
Wenn du für das Thema eine Leitlinie oder SOP (standard operation procedure = Standardprozedur) erstellst, profitieren auch noch andere davon – du aber am allermeisten.
Natürlich ist das Eigenstudium insgesamt immer sehr hilfreich, wobei praktische Fähigkeiten in der Regel einer Anleitung bedürfen.
Nutze die Fortbildungstage, die dir dein Arbeitgeber zur Verfügung stellt und bilde dich in den Themen fort, die gerade anstehen. Es macht wenig Sinn, im 1. Weiterbildungsjahr, die Fortbildungstage für große Kongresse zu nutzen.
Auch in diesem Bereich, können die Pflegekräfte eine große Hilfe sein. Scheue dich nicht, auch sie zu fragen, ob sie dich unterstützen können oder dir Dinge beibringen.
4. Patienten, Angehörige, Kollegen sind unfreundlich.
Darüber ließen sich viele eigene Artikel schreiben, denn es geht hier um das ganz große Thema „Kommunikation“. Leider lernst du im Medizinstudium darüber wenig, obwohl es ein so bedeutendes Thema ist. Mir bleibt hier nur, dir ein paar Tipps zu geben.
Was kannst du tun?
Sind Menschen zu dir unfreundlich, solltest du zuerst hinterfragen, wie du selbst auf diese Person zugegangen bist. Wie trittst du gerade auf? Gestresst, unwirsch, genervt, gereizt? Reagiert dein Gegenüber nur auf dich? Du kennst das Sprichwort: „Wie man in den Wald hinein ruft….“
Gehe mit Patienten und Angehörigen möglichst immer respektvoll um. Bleibe ruhig, achte auf deinen Tonfall, im besten Fall sogar auf deine Körperhaltung.
Wirst du zu Unrecht angegangen, kannst du versuchen, dich in den anderen hinein zu versetzen. Oft stecken bei Patienten und Angehörigen Angst und Überforderung dahinter. Viele fühlen sich ausgeliefert und leiden unter Kontrollverlust. Mach dir klar, dass ihre Reaktion nicht gegen deine Person gerichtet ist. Sie haben das Problem. Mit dem Gedanken kannst du dich besser abgrenzen und entspannt reagieren.
Manchmal reagieren wir auf Menschen, wenn sie einen bestimmten Trigger bei uns auslösen. Oft sind es alte Sätze oder Bemerkungen, die wir zu einem früheren Zeitpunkt negativ verankert haben. Hier hilft es, sich dessen bewusst zu werden.
Abhängig von unserem eigenen inneren Gleichgewicht, können wir mit Abweisung oder Kritik besser oder schlechter umgehen. Hier hilft es, sich auf die Sachebene zu konzentrieren. Worum geht es eigentlich? Und wie kann ich auf dieser Ebene antworten?
Gerätst du häufig in Konflikte oder tust dir mit Gesprächen insgesamt schwer, ist es sinnvoll, dich in diesem Bereich weiter zu entwickeln. Es gibt spezielle Kommunikationsseminare für Ärzte. Vielleicht hast du aber auch Lust, dir diesen Bereich intensiver anzuschauen und dich darin zu stärken. Es gibt unendlich viele Möglichkeiten an Seminare und Kursen, auch vor Ort. Schau, was zu dir passt und was dich anspricht. Davon kannst du – nicht nur im Job – sehr profitieren.
Manchmal ist es auch notwendig, alte Themen zu bearbeiten oder das Selbstwertgefühl zu steigern, um die täglichen Situationen souverän meistern zu können.
5. Du machst einen Fehler
Wir sind alles Menschen, und Menschen machen Fehler. Auch dir wird es irgendwann passieren. Leider können Fehler in der Medizin zu (schweren)Schäden bei Menschen führen und einen Einschnitt in das Leben des Arztes bedeuten.
Die erste Frage ist demnach, wie sie sich vermeiden lassen.
Hilfreich ist dabei eine offene Fehlerkultur der Abteilung. Denn so kannst du bereits aus Fehlern von anderen lernen. Leider gibt es das nicht überall. Trotzdem solltest du dir gleich von Anfang an angewöhnen, über deine Fehler zu sprechen. Oft erfährst du, dass du nicht der einzige bist und schaffst dir damit Erleichterung. Zudem bist du ein großes Vorbild und andere können davon profitieren.
Inzwischen gibt es viele Fortbildungen zum Thema CRM (Crew Resource Management) in der Medizin. Hierbei (ursprünglich kommt das Thema aus der Luftfahrt) geht es um Teamwork und Fehlervermeidung. Vielleicht magst du dich darin fortbilden oder kannst deinen Chefarzt von einer Abteilungsfortbildung überzeugen.
Wichtig ist immer, dass du weißt, was du tust. Kompetenz vermeidet Fehler. Wichtig ist aber auch die Fokussierung. Viele Fehler entstehen, wenn noch schnell etwas dazwischengeschoben wird, wenn die Gedanken schon beim nächsten Thema sind oder Zeitdruck herrscht. Zudem ist es notwendig, dass du dein Material kennst und beherrschst. Auch wenn Geräteeinweisungen nervig und öde sein können, achte darauf, dass du mit deinen Medizinprodukten umgehen kannst – auch in Stresssituationen.
Hole dir rechtzeitig Hilfe und versuche nicht dein Ego über das Leben des Patienten zu stellen.
Sollte dir tatsächlich ein gravierender Fehler passieren oder unterstellt werden, gibt es ein paar Dinge zu berücksichtigen.
Schreibe direkt ein Gedächtnisprotokoll. Notiere darin alle Einzelheiten der Situation, auch alle Beteiligten. Berichte direkt deinem Vorgesetzten und versuche niemals, etwas zu vertuschen.
Auch wenn ich der festen Überzeugung bin, dass mit Ehrlichkeit und einem offenen Gespräch mit Patienten oder Angehörigen die besten Ergebnisse erzielt werden können, sind die Empfehlungen anders. Entschuldige dich nicht. Leider kann dies sonst im Falle eines Prozesses als Schuldeingeständnis gegen dich verwendet werden und auch versicherungsrechtliche Folgen mit sich bringen. Ziehe im Zweifelsfall einen erfahrenen Kollegen zu Rate. Weitere Gespräche mit Betroffenen führt am besten ein Vorgesetzter oder du in seinem Beisein.
Ein Problem ist nur dann ein Problem, wenn du keinen Zugriff auf deine Ressourcen hast.
Denys Scharnweber
Wie du siehst, ist ein Problem nur dann ein Problem, solange dir die Lösung fehlt.
Der Beruf als Arzt ist herausfordernd, kann aber unglaublich erfüllend sein. Viele Dinge, die anfangs Hürden darstellen, fallen dir später nicht mehr auf. Du gewinnst jeden Tag an Erfahrung und entwickelst dich beruflich und persönlich weiter.
Ich wünsche dir ganz viel Freude bei deiner Arbeit!
Konnte ich dir mit diesem Artikel weiterhelfen? Hinterlasse mir gerne einen Kommentar.
Wenn du weitere Fragen hast oder dich für eine Unterstützung im Rahmen eines Coachings interessierst, dann schau dich gerne auf meiner Seite um oder schreibe mir eine Email an loeffner@coaching-your-dream.de.
Deine Susanne
Fachärztin für Anästhesiologie, Intensiv- und Notfallmedizin
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