Fürsorge, Harmonie, Beschützen…
je mehr ich darüber nachdenke, desto mehr erkenne ich, wie sich diese Begriffe wie ein roter Faden durch meine Geschichte ziehen.
Als Einzelkind war mein Wunsch immer eine große harmonische Familie. In meinen farbenfrohen Tagträumen und meinen Rollenspielen mit Puppen oder Glasmurmeln konnte ich sie mir erschaffen. Ich hatte darin immer die Rolle der fürsorglichen Beschützerin meiner virtuellen jüngeren Geschwister.
Auch in der Schule nahm ich nach und nach diese Rolle ein. Gerechtigkeit war mir enorm wichtig und ich stellte mich gerne mit Ellenbogen vor oder mit breitem Rücken hinter die, die nicht in die Gruppe durften. In den Momenten war ich mutig, auch wenn ich dabei manchmal stark polarisiert und mich selbst durchaus schmerzhaft aus der Gruppe ausgeschlossen habe.
Fürsorge war sicher mit ein Aspekt meiner Berufswahl zur Ärztin, aber auch dafür, wie ich ihn ausübte. Patienten und auch Kollegen wollte ich beschützen, den Raum für sie (sicher) halten, vor allem für die, die sich schwerer taten. Ich spielte die Rolle der Löwenmutter…
Ich konnte schon immer am besten und motiviertesten arbeiten, wenn das Team stimmte, wenn Harmonie herrschte und ein Gemeinsam bestand. Das ist auch jetzt meine Philosophie einer guten Führung in der Medizin: Als Führungskraft hältst du den Raum.
Menschlichkeit und Empathie sind sowohl Motor als auch Folge und für mich hohe Werte. Auch Altruismus gehört in gewisser Weise dazu.
Bei mir ging die Fürsorge selbstverständlich außerhalb des Berufes weiter. Auch in der Familie und bei Freunden gehörte sie dazu.
Fürsorge war und ist für mich eine Lebenseinstellung.
Leider hat das alles auch seine Schattenseiten:
Immer Harmonie zu suchen, birgt das Risiko, sich für Anerkennung und dem Wunsch nach Zugehörigkeit zu verbiegen und sich selbst zu verlieren. Fürsorge bringt genau wie Altruismus die Gefahr mit sich, sich immer hinten anzustellen und sich aufzuopfern. Und nicht selten wirst du von anderen ausgenutzt. Unser Gesundheitssystem ist ein Paradebeispiel. Ohne Beschützer würde es sich niemals halten, die notwendige Wertschätzung bleibt aber leider aus.
Fürsorge lässt sich auch übertreiben, wenn du es nicht schaffst, loszulassen und Verantwortung abzugeben.
Statt zu helfen, läufst du Gefahr, den anderen zu erdrücken. Es kommt der Punkt, an dem der Beschützte davon oder an dir vorbei ziehen möchte. Und natürlich gibt es viele, die auf deine Unterstützung überhaupt nicht scharf sind. Auch diese Erfahrung habe ich gemacht, als Patienten meine Hilfe gar nicht annehmen wollten oder „Beschützte“ irgendwann ihren eigenen Weg einschlugen. Hier durfte ich lernen, einen Schritt zurück zu treten und vor allem aufhören, dabei den Fehler bei mir zu suchen.
Die größte Gefahr bei Beschützern liegt darin, sich völlig aufzuopfern.
Es führt dazu, irgendwann, keine Ressourcen mehr zu haben und krank zu werden…Erschöpfung bis zum Burnout (Depression), Suchterkrankungen, Schmerzen und andere Formen des „Auswegs“ sind die Folge.
Ich habe meine Lektion gelernt mit Erschöpfung, Migräne, Magen-Darmproblemen und Ängsten.
Ich habe aber vor allem rechtzeitig etwas ganz Wichtiges gelernt:
Menschlichkeit, Solidarität, Harmonie, Fürsorge und Gerechtigkeitsgefühl sind gut UND lassen sich von Aufopferung trennen.
Du kannst ganz klar bei dir sein, deine Werte achten und auch für dich sorgen, ohne diese innere Haltung, diese Stärke zu verlieren. Die zugrunde liegende Angst, nur durch Aufopferung Anerkennung zu gewinnen, wird sich nicht bewahrheiten.
Es ist ein Lernprozess.
Fürsorge steht für mich immer noch weit oben. Und auch wenn unter Coaches gerne gepredigt wird, dass jeder nur für sich selbst verantwortlich ist, werde ich nie jegliche Verantwortung für die, die mir lieb sind, völlig abgeben – allerdings auch nicht mehr gänzlich übernehmen, aber dazu komme ich gleich noch.
Ich werde weiter den Raum halten, in dem sich andere entfalten und entwickeln dürfen. Und ich werde weiter denen Schutz bieten, die es brauchen und für sie da sein.
Zeitgleich habe ich meine Grenzen definiert und schaue auch auf mich. Ich habe meine Stärke erkannt. Ich freue mich über Wertschätzung, zeitgleich bin ich nicht mehr davon abhängig. Ich muss nicht mehr polarisieren, keine Übermutter spielen und auch nicht kämpfen.
Ich bleibe ganz bei mir.
Und für mich ist eines inzwischen ganz wichtig geworden. Ich unterstütze, ich bin da, ich halte.
Die Verantwortung trägt grundsätzlich jeder zunächst selbst.
Ich bin nicht der Fußabtreter für jemanden, der in der Opferrolle verharrt und die Schuld bei anderen sucht. Ich gebe den Rahmen vor und lasse mich nicht ausnutzen. Wer auf meine Kosten wachsen möchte, darf gehen.
Es gibt noch immer Momente, in denen ich wackle. In denen es schwierig ist, die Balance zu halten. Und auch das ist okay.
Die Fürsorgliche wirst auch du immer bleiben, weil es tief in dir steckt.
Du kannst lernen, (für dich) gesund damit umzugehen. Statt einer Rolle, bist du du selbst. Du weitest die Fürsorge auf dich aus und ziehst daraus die Energie für andere. Du darfst zuerst DICH beschützen.
Du darfst deinen Rahmen stecken, deine Grenzen ziehen, deine Energie einteilen.
Du darfst nein sagen – und ja zu dir selbst.
Du darfst deinen Weg gehen und dich für die Verantwortung entscheiden, die du problemlos tragen kannst. Auf der anderen Seite darfst du Verantwortung an die zurück geben, die sie auf dir abgeladen haben.
Du bist der Fels, an dem sich die anderen anlehnen. Du bist die sanftmütige Löwin, die durch eigene Stärke beschützt.
Und dafür wirst du geschätzt werden.
Hast du Interesse daran, mehr über dieses Thema zu erfahren oder möchtest du ganz konkret lernen, die sanftmütige Löwin nicht nur für andere, sondern auch für dich zu sein? Dann nimm gerne Kontakt zu mir auf! ❤️ Deine Susanne
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